Zum Stand der wissenschaftlichen Forschung zur Hochsensibilität

Anmerkung

Dies ist eine lockere Zusammenfassung im Frühjahr 2025, die weder abschließend noch mit Quellenangaben versehen ist. Sie soll lediglich bei Interesse als Anregung dienen.


In den letzten Jahren geht die Forschung davon aus, dass es keine scharfe Trennung zwischen „hochsensibel“ und „nicht hochsensibel“ gibt, sondern vielmehr ein Sensibilitäts-Spektrum, auf dem sich jeder irgendwo befindet. Im mittleren Spektrum befinden sich 40%, im unteren und oberen Spektrum jeweils 30%. Außerdem kann die Hochsensibilität auch nur in bestimmten Bereichen vorhanden sein. Beispielsweise nur im Musikalischen, nicht aber im zwischenmenschlichen Bereich.

Ob es zur Erklärung das Konzept der Hochsensibilität braucht, ist umstritten. Manche bevorzugen das Konzept Neurotizismus, welches eines der fünf Dimensionen der üblichen Persönlichkeits-Tests ist, das in einer Analyse des Forschungsstandes 2019 die höchste Überschneidung mit Hochsensibilität aufwies.
Dazu möchte ich anmerken: Die „höchste Überschneidung“ bedeutet hier trotzdem nur eine teilweise Überschneidung. Beim Persönlichkeitsfaktor Neurotizismus wird danach gefragt, wie emotional labil und verletzlich jemand ist. Er beschreibt im Wesentlichen nur die Empfindlichkeit auf sogenannte negative Emotionen, also je nachdem, wie stark der Neurotizismus ausgeprägt ist, verspürt eine Person schnell Stress, Sorgen, Ängste, Unsicherheit, Selbstzweifel. Wer wenig Neurotizismus anzubieten hat ist widerstandsfähiger gegenüber solchen Gefühlen. Bei der Subsummierung der Hochsensibilität unter Neurotizismus werden also sogenannte positive Emotionen außen vor gelassen.

Andere Befunde weisen darauf hin, dass der neurotische Anteil bei hochsensiblen Personen variiert und eine Abgrenzung der beiden Konstrukte, also Neurotizismus von Hochsensibilität, sinnvoll erscheint.
Und es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass hochsensible Menschen sowohl positiv als auch negativ stärker von dem beeinflusst werden, was sie erleben. Sie sind also stärker von Widrigkeiten betroffen, profitieren aber auch besonders stark von positiven Erfahrungen.

Dr. Lars Satow unterscheidet drei zugrundeliegende Faktoren „Leichte Erregbarkeit“, „Niedrige Wahrnehmungsschwelle“(dies bedeutet, dass Reize sehr schnell ins Bewusstsein dringen) und „Hohe Empfindsamkeit“. Diese Faktoren können individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die hohe Empfindsamkeit, – definiert als intensive Beschäftigung mit Gefühlen und inneren Vorgängen -,verstärkt die leichte Erregbarkeit und die niedrige Wahrnehmungsschwelle deutlich.

Unter Hochsensiblen gibt es sowohl Introvertierte als auch Extravertierte. Die Schüchternheit, die mit hochsensiblen Kindern lange assoziiert wurde, könnte auch Folge des Umgangs mit hochsensiblen Kindern sein.

Negative Erfahrungen in der frühen Kindheit können zur Entwicklung einer erhöhten Sensibilität in der Pubertät und im Erwachsenenalter beitragen, insbesondere bei Menschen mit stärkerer genetischer Veranlagung für eine erhöhte Sensibilität.
Anmerkung: dies ist eine der wenigen Studien, die sich mit dem Zusammenhang von Trauma (hier allerdings nur als „negative Erfahrung“ benannt) und Hochsensibilität beschäftigt. Ich hoffe, dass es mehr Forschung zu diesem Thema geben wird, auch zur Unterscheidung zwischen einer hohen Sensibilität, die angeboren ist, und derjenigen, die durch Trauma entstanden und zu einer angeborenen noch dazu kommen kann.

Vantage-Sensitivität ist ein Konzept, das in der Neurowissenschaft als Wesensmerkmal der Hochsensibilität betrachtet wird. Vantage-Sensitivität bedeutet, dass man von positiven und unterstützenden Erfahrungen gut profitieren kann. In der Gruppe der nicht hochsensiblen Menschen haben manche eine Vantage-Resistenz oder eine geringe Sensibilität für positive und unterstützende Erfahrungen.
Anmerkung von mir: Die Vantage-Sensitivität ist also ein Vorteil von Hochsensiblen und erklärt auch, weshalb Psychotherapie (wenn sie sich bestärkend und positiv anfühlt) von dieser Gruppe so konstruktiv angenommen werden kann.
Dr. Patrice Wyrsch verweist darauf, wie lohnend es für Hochsensible ist, sich mehr auf ihre Vantage-Sensitivität zu fokussieren, diese Ressource aktiv zu nutzen, denn daraus ergibt sich durchaus eine gewisse Resilienz gegenüber negativen Erfahrungen.
Dies kann ich aus beruflicher und persönlicher Erfahrung bestätigen.